Kursrelevante Informationen richtig kommunizieren: Ad-hoc-Publizität im Überblick

Die rasche Informationsversorgung des Kapitalmarktes und die Sicherstellung der Gleichbehandlung aller Marktteilnehmer sind zentrale Grundpfeiler für eine funktionierende Preisbildung auf dem Markt. Deshalb verpflichtet das Kotierungsreglement der SIX Swiss Exchange (KR) börsenkotierte Unternehmen in Art. 53, kursrelevante Tatsachen, die in ihrem Einflussbereich eintreten und noch nicht öffentlich bekannt sind, umgehend mittels einer Ad hoc-Mitteilung zu veröffentlichen.

Wann ist eine Tatsache kursrelevant?

Als kursrelevant gelten Tatsachen, die den Börsenkurs erheblich beeinflussen können. Der Tatsachenbegriff umfasst sowohl endgültige als auch noch offene Sachverhalte. Dazu gehören insbesondere Prognosen oder Schätzungen. Ob eine Kursrelevanz gegeben ist, ist jeweils ex ante - also vor Bekanntwerden der Tatsche - im konkreten Einzelfall zu prüfen. Dabei genügt es, dass die Tatsache geeignet ist, eine erhebliche Kursänderung herbeizuführen – ein tatsächlicher Kurseffekt ist nicht erforderlich.

Bei der Einzelfallbeurteilung sind verschiedene Faktoren ausschlaggebend, etwa der Zeitpunkt der Abgabe der Prognose oder die Position der Person im Unternehmen, welche die Prognose abgibt. Eine Gewinnprognose der Unternehmensleitung hat beispielsweise ein anderes Gewicht als dieselbe Aussage aus dem mittleren Kader. Je stärker sich eine Prognose auf überprüfbare Fakten stützt und je geringer der Anteil blosser Annahmen und Hochrechnungen ist, desto niedriger das Prognoserisiko.

Feste quantitative Schwellenwerte existieren nicht. Auch die Finanztheorie bietet keine allgemein anerkannte Preisbildungstheorie. Daher ist die Schwelle zur Kursrelevanz trotz des Begriffes «erheblich» in der Praxis eher tief anzusetzen. Massgeblich ist, ob ein verständiger Marktteilnehmer seine Anlageentscheidung ändern würde, weil er davon ausgeht, dass der Kurs diese Information noch nicht widerspiegelt.

Möglichkeiten eines Aufschubs

Die Pflicht zur Ad-hoc-Publizität greift, sobald mindestens eine geschäftsführende Person Kenntnis von der Tatsache erlangt. Nach Art. 54. Abs. 1 Ziff. 1 KR ist jedoch ein Aufschub der Bekanntgabe für Tatsachen möglich, die auf einem Plan oder Entschluss des Emittenten beruhen. Zweck des Aufschubes ist der Schutz der internen Willensbildung und Planung – damit soll verhindert werden, dass interne Überlegungen oder noch nicht abschliessend gefasste Beschlüsse durch eine vorschnelle Veröffentlichung bzw. verfrühte Publikation vereitelt oder erheblich erschwert werden. Für Tatsachen, deren Ursprung ausserhalb des Einflussbereiches des Emittenten liegt (sog. exogene Faktoren), besteht die Möglichkeit des Bekanntgabeaufschubs nicht – selbst dann nicht, wenn deren Veröffentlichung dem Emittenten erheblichen Schaden zufügen würde.

Ein Bekanntgabeaufschub ist daher nur gerechtfertigt, wenn die Veröffentlichung die Interessen des Emittenten beeinträchtigen könnte. «Beeinträchtigung» bedeutet hierbei, dass die kursrelevante Tatsache geeignet sein muss, im Einzelfall einen effektiven Nachteil – insbesondere einen vermögensrechtlichen oder sonst fassbaren Schaden – zu verursachen. Wie bereits ausgeführt, ist dabei nicht ein möglicher Schaden durch die blosse Veröffentlichung massgeblich, sondern die Frage, ob der zugrundeliegende Plan oder Beschluss durch die Bekanntgabe vereitelt oder wesentlich erschwert würde (z.B. erste Verhandlungen im Rahmen einer möglichen Unternehmensfusion).

Abwägung der Interessen

Letztlich ist immer eine Abwägung zwischen den Interessen des Emittenten und denjenigen des Kapitalmarktes vorzunehmen. Im Zweifel ist die Auslegung zu wählen, die dem Prinzip der Ad-hoc-Publizität – namentlich der Herstellung grösstmöglicher Chancengleichheit und Transparenz sowie Verhinderung von Insiderhandel – am besten entspricht. Bei komplexen Sachverhalten kann die Information der Öffentlichkeit schrittweise erfolgen, indem zunächst eine erste Mitteilung das Ereignis skizziert und die konkreten Auswirkungen in einer oder mehreren weiteren Mitteilungen kommuniziert werden, sobald diese zuverlässig und hinreichend bestimmt feststehen.

Massnahmen bei einem Bekanntgabeaufschub

Entscheidet sich der Emittent für einen Bekanntgabeaufschub, so muss er sicherzustellen, dass die Vertraulichkeit der kursrelevanten Tatsache während der gesamten Dauer des Aufschubs gewahrt bleibt. Kommt es zu einen Informationsleck, ist diese Vertraulichkeit nicht mehr gegeben. Die Berechtigung zum Aufschub entfällt damit unmittelbar und der Markt ist gemäss den Vorgaben der Ad-hoc-Publizität unverzüglich zu informieren.

Fazit

Die Ad-hoc-Publizitätspflicht ist stark von zukunftsgerichteten Elementen geprägt. Zwar steht den Unternehmen ein gewisser Ermessenspielraum zu, ob die Voraussetzungen für eine Veröffentlichung von Tatsachen erfüllt sind – dieser ist nach der Auslegung und Praxis der SIX Exchange Regulation jedoch eng auszulegen. Umso wichtiger ist es, klare, transparente und strukturierte Prozesse zu etablieren. Ebenso bedeutsam ist die sorgfältige Dokumentation der Entscheidungsfindung, um diese im Bedarfsfall nachvollziehbar darlegen zu können. Nur so lassen sich die Anforderungen des Kotierungsreglements zuverlässig erfüllen und gleichzeitig die Sensibilität für die Bedeutung der Ad-hoc-Publizität im Unternehmen schaffen.

27.11.2025




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