Die zunehmende Verbreitung von Distributed-Ledger-Technologien verändert die Infrastruktur der Finanzmärkte nachhaltig. Wertschriften lassen sich heute als digitale Token ausgeben und übertragen, wodurch Abwicklungs- und Clearingprozesse erheblich beschleunigt werden. Damit rücken Fragen nach Effizienz, Sicherheit und Stabilität stärker in den Fokus. Vor diesem Hintergrund hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) das Projekt Helvetia gestartet, um zu prüfen, wie Transaktionen mit tokenisierten Vermögenswerten künftig in Zentralbankgeld abgewickelt werden können.
Zwei Modelle, ein Ziel: Effizienz und Sicherheit
Im Zentrum stehen zwei Ansätze. Der integrierte Ansatz umfasst die Ausgabe einer Wholesale Central Bank Digital Currency (Wholesale-CBDC) durch die SNB. Dieses digitale Zentralbankgeld ist Geschäftsbanken vorbehalten und wird auf der SIX Digital Exchange (SDX) genutzt. Es erlaubt eine unmittelbare Zug-um-Zug-Abwicklung, da Geld- und Wertpapierseite auf derselben Distributed-Ledger-Infrastruktur geführt werden. Der zweite Ansatz, der sogenannte RTGS-Link, verbindet eine Blockchain-Plattform mit dem traditionellen Zahlungssystem Swiss Interbank Clearing (SIC). Damit werden Transaktionen synchron, jedoch auf unterschiedlichen Infrastrukturen, abgewickelt. Beide Modelle laufen im Pilotbetrieb bis mindestens 2027.
Von Helvetia I zu Helvetia III
Das Projekt Helvetia I wurde 2020 lanciert und diente als Machbarkeitsnachweis. Geprüft wurde sowohl die Abwicklung mit Wholesale-CBDC auf der SDX-Plattform als auch über den RTGS-Link. Beide Varianten erwiesen sich als technisch realisierbar und schufen die Basis für weitere Arbeiten.
Helvetia II verlagerte 2022 den Fokus von der Machbarkeit hin zur praktischen Umsetzung. Mehrere internationale und schweizerische Banken beteiligten sich, sodass End-to-End-Transaktionen vom Handel bis zur Verbuchung realitätsnah getestet werden konnten. Zudem wurde verdeutlicht, dass Wholesale-CBDC keine neue Geldform darstellt, sondern eine alternative Darstellung bestehender Reserven unter Kontrolle der SNB bleibt. Ergänzend wurden Repo-Transaktionen in tokenisierter Form sowie erste grenzüberschreitende Zahlungen simuliert.
Mit Helvetia III geht die SNB nun noch einen Schritt weiter: Erstmals wird ein digitaler Franken für Geschäftsbanken im produktiven Betrieb getestet. Diese dritte Phase startete im Dezember 2023. Im Zentrum stehen tokenisierte Anleihen, die auf der SDX emittiert und mit Wholesale-CBDC in Schweizer Franken abgewickelt werden. Damit werden Effizienz, Zuverlässigkeit und Flexibilität eines vollständig tokenisierten Finanzökosystems unter realen Bedingungen erprobt.
BX Digital als neuer Schlüsselpartner
Im Juni 2025 verlängerte die SNB das Projekt. Neben dem Einsatz von Wholesale-CBDC auf der SDX-Plattform soll künftig auch die Abwicklung über den RTGS-Link intensiver geprüft werden. BX Digital stellt dafür einen direkten Anschluss an das SIC bereit und übernimmt damit seit Kurzem eine Schlüsselrolle innerhalb des Projekts Helvetia. Als erste Finanzmarktinfrastruktur der Schweiz erhielt BX Digital eine FINMA-Bewilligung für ein Handelssystem auf Basis der Distributed-Ledger-Technologie. Damit wurde ein Meilenstein für den regulierten Handel digitaler Vermögenswerte gesetzt. Das System ermöglicht Transaktionen direkt in Schweizer Franken, während die Übertragung der Vermögenswerte über eine öffentliche Blockchain erfolgt. Durch die Verbindung von Delivery-versus-Payment-Mechanismen mit der direkten Anbindung an das Zahlungssystem der SNB soll eine effiziente und sichere Infrastruktur entstehen.
CBDCs und Stablecoins: Internationale Entwicklungen
Nicht nur in der Schweiz, auch weltweit prägen Stablecoins und digitale Zentralbankwährungen zunehmend die Diskussion über die Zukunft des Geldes. In den Vereinigten Staaten dominieren private Stablecoins, die fast ausschliesslich an den US-Dollar gekoppelt sind. Mit dem Genius Act wurde ein klarer Rechtsrahmen geschaffen: Jeder digitale Dollar muss vollständig durch Bargeld oder kurzfristige US-Staatsanleihen gedeckt sein. Damit verfügen die Emittenten über verbindliche Rahmenbedingungen, während die Rolle des Dollars im globalen Finanzsystem weiter gefestigt wird. Zugleich lehnt die amerikanische Regierung eine staatliche digitale Zentralbankwährung ab. Mit dem CBDC Anti Surveillance State Act soll der Federal Reserve deren Einführung sogar ausdrücklich untersagt werden.
Die Europäische Union verfolgt einen regelbasierten Ansatz. Euro Stablecoins zeigten bislang nur ein geringes Interesse, dennoch hat die EU mit der Markets in Crypto Assets Regulation (MiCA) ein umfassendes Regelwerk geschaffen. Es verpflichtet Emittenten, einen erheblichen Teil ihrer Reserven bei Banken zu hinterlegen - eine Vorgabe, die im Krisenfall zu Liquiditätsengpässen führen könnte. Parallel arbeitet die Europäische Zentralbank am digitalen Euro, dessen Einführung frühestens 2028 erwartet wird. Ziel ist es, eine staatlich abgesicherte Alternative zu den dominierenden Dollar-Strukturen zu schaffen und die europäische Souveränität im Zahlungsverkehr zu stärken.
Ausblick für den Schweizer Finanzplatz
Die Schweiz verfolgt mit Projekt Helvetia eine eigenständige Strategie. Die regulatorischen Vorgaben der FINMA sind streng, da sämtliche Inhaber digitaler Franken lückenlos identifiziert werden müssen. Diese Auflage steht im Einklang mit den hiesigen Geldwäschereivorschriften und schafft Vertrauen sowie Stabilität, bietet aber auch zusätzliche Hürden für die Umsetzung. Mit der Verlängerung bis mindestens 2027 unterstreicht die SNB, dass das Projekt Helvetia ein zentraler Baustein für die Weiterentwicklung der Finanzmarktinfrastruktur ist. Es geht um zentrale Fragen: Wie lassen sich Effizienz und Sicherheit steigern, ohne die Stabilität zu gefährden? Welche Rollen übernehmen staatliche und private Akteure? Und wie können Regulierung und Innovation sinnvoll verbunden werden? Die Antworten darauf werden nicht nur über die mögliche Einführung eines digitalen Frankens entscheiden, sondern auch die künftige Position des Finanzplatzes Schweiz im globalen Wettbewerb prägen.