Meme-Aktien – David gegen Goliath oder Marktmanipulation?

Nachdem zu Beginn des Jahres 2020 die Covid-19-Krise das dominierende Thema an den Börsen war, wurde Anfang 2021 das Augenmerk vermehrt auf sogenannte «Meme-Aktien» gelegt. GameStop, die Mutter aller Meme-Aktien, dürfte wohl einem grossen Teil der Anleger ein Begriff sein. Salopp gesagt handelt es sich bei Meme-Aktien um Aktien, deren Handelsvolumen nicht aufgrund der guten Performance des Unternehmens steigt, sondern infolge eines Hypes in sozialen Netzwerken. Zu den bekanntesten Titeln gehören neben GameStop Titel wie AMC oder Blackberry. Während GameStop seit Jahresbeginn zeitweise ein Plus von über 1’000 Prozent auswies, belief sich das Kursplus von AMC gar auf rund 2’850 Prozent.

Ein «Short Squeeze» entsteht

Ausgangspunkt für derartige Kursbewegungen sind institutionelle Investoren wie Hedge Funds, welche mittels Leerverkäufe auf sinkende Aktienkurse von Unternehmen spekulieren. Dem entgegen stehen eine Vielzahl von Kleinanlegern, welche sich in Foren zusammentun, um den Absichten der Hedge Funds entgegenzuwirken. Diese investieren in gemeinsamer Absprache in einen Titel und treiben so den Aktienkurs des entsprechenden Unternehmens nach oben. Damit zwingen sie die Hedge Funds zu Deckungskäufen. Diese Deckungskäufe treiben den Preis der Aktien wiederum nach oben, ein sogenannter «Short Squeeze» entsteht. Short Squeezes entstehen u.a., wenn mehr Wertpapiere leer verkauft werden, als im Umlauf sind. Im Falle von GameStop waren zeitweise 140% der Aktien leerverkauft.

Ist dies ein mögliches Szenario in der Schweiz?

Ein ähnliches Phänomen scheint in der Schweiz eher unwahrscheinlich, da die notwendigen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Der Schweiz fehlt es an der Marktstruktur sowie den geeigneten Firmen hierfür, u.a. aufgrund folgender Faktoren:

  • Ohne Handelsplattformen, bei welchen zum Nulltarif gehandelt werden kann (Stichwort «RobinHood»), ist es bedeutend schwieriger, die notwendige Masse an Kleinanlegern zusammenzubringen
  • Gemäss den Regeln der Schweizer Börse (SIX) sind «Naked Shorts» – Leerverkäufe, die nicht durch eine Wertpapieranleihe unterlegt sind – verboten
  • «Penny Stocks» sind in der Schweiz und generell in Europa weit weniger verbreitet als in den USA
  • Schutzschalter der Börsen (wie beispielsweise «Stop Trading Range» oder «Avalanche Stop») schützen Anleger vor plötzlichen überrissenen Kursbewegungen
  • Informationen über Leerverkäufe sind in der Schweiz nur schwierig zugänglich, verglichen mit den USA

Gänzlich ausgeschlossen werden können ähnliche Kursbewegungen jedoch nicht. Auch in der Schweiz gibt es Aktien mit hohen Shortpositionen, welche für einen Short Squeeze in Frage kämen. Ein Blick über die Grenze zeigt, dass ähnliche Vorgänge bereits in Europa angekommen zu sein scheinen. Im Zusammenhang mit der Kursentwicklung von «windeln.de» mahnte die BaFin Anleger bereits zur Vorsicht bei Aufrufen zu Aktienkäufen.

Betreiben Kleinanleger Marktmanipulation?

Obwohl es wohl vielen der Kleinanleger primär darum ging, institutionelle Investoren in die Knie zu zwingen, stellt sich die Frage, ob das Verhalten der Kleinanleger unter den Begriff der Marktmanipulation fällt. Schaut man sich das Verhalten der Kleinanleger im Falle von GameStop genauer an, könnte dies mindestens in gewissen Teilen manipulativen Strategien entsprechen:

  • «Pump and Dump» - Preise in die Höhe treiben, maximal verkaufen und dann fallen lassen
  • «Rumors» - das Erstellen und Verbreiten falscher oder irreführender Informationen
  • «Ramping the Market» - Handlungen, die darauf abzielen, den Marktpreis künstlich in die Höhe zu treiben, indem der Eindruck eines grossen Handelsvolumens erweckt wird
  • «Cornering the Market» - den Markt in die Enge treiben, um den Preis zu kontrollieren
  • «Acting in Concert» - Zusammenarbeit mehrerer Personen/Investoren auf informeller Basis

Aber auch die Leerverkäufe der Hedge Funds stehen immer wieder in der Kritik. Der Kampf David (Kleinanleger) gegen Goliath (Hedge Funds) rückte das alte Thema des unfairen Vorteils der grossen Akteure an den Finanzmärkten wieder in den Fokus der Regulierungsbehörden. Ein solcher Vorteil könnten beispielsweise fehlende Offenlegungspflichten für Leerverkäufe sein. Die Regulierungsbehörden diskutieren dieses Thema bereits länger, bislang allerdings ohne einen Konsens über die zu ergreifenden Massnahmen. Obwohl Leerverkäufe häufig mit Marktzusammenbrüchen in Verbindung gebracht werden, zeigt die empirische Literatur, dass sie ebenso ein wesentlicher Bestandteil eines gut funktionierenden und effizienten Marktes sein können, der Liquidität bereitstellt und die Preisfindung fördert (vgl. gwp Blog-Beitrag «Leerverkaufsverbot: Divergierende Regeln der Marktaufsichtsbehörden»).

Ist der Hype vorüber?

Regulatoren haben die Existenz fairer und ordnungsgemässer Märkte zum Ziel. Entsprechend werden von verschiedenen Seiten Reaktionen und regulatorische Initiativen erwartet. Selbst seitens der Börsen wurden teilweise Forderungen nach mehr Regulation laut, wohl eher aussergewöhnlich. Die Vorkommnisse rund um die GameStop-Aktie und die weiteren Meme-Aktien haben nicht zuletzt auch die US-Börsenaufsicht SEC auf den Plan gerufen. Die SEC will die Entwicklungen bei Meme-Aktien eng verfolgen und überwachen. Darüber hinaus wird ein Bericht im Zusammenhang mit den Kursausschlägen der GameStop-Aktie erwartet, welcher von der SEC für den Sommer 2021 angekündigt wurde. In der Zwischenzeit ist der Meme-Aktien-Wahnsinn jedoch bereits in die zweite Runde gegangen.

22.07.2021




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